flo 14. August 2007
In Spiegel Online (14.08.2007) ist folgender Artikel über Rügens Robben erschienen:
Rückkehr nach 100 Jahren
Strand in Göhren auf der Insel Rügen: Eine Urlauberin betrachtet einen Seehund (7. August 2007), Foto: DDP
Einst bot die Ostsee den Lebensraum für Tausende Robben, dann machten Jagd und Meeresverschmutzung den Tieren den Garaus. Nun tauchen einzelne Tiere wieder an den Stränden Mecklenburg-Vorpommerns auf – und verunsichern Touristen.
Rügen – Das Seehundjunge, das sich am Dienstagvormittag an der früheren Kaimauer von Prora auf Rügen in der Sonne räkelte, war sofort entdeckt. Schon wenige Minuten später standen Dutzende staunende Badegäste um den seltenen Gast. Unschlüssig rätselten die Urlauber, was dem Tier wohl fehlte. Einige von ihnen versuchten schließlich sogar, den zentnerschweren Säuger wieder ins Wasser zu ziehen, bis besser Informierte einschritten und um Zurückhaltung baten.
Dem Tier fehle nichts, sagte eine Mitarbeiterin einer benachbarten Segelschule, die den Trubel schon einen Tag zuvor erlebt hatte. Es sei unglaublich gewesen, wie ungehemmt sich die Schaulustigen immer wieder dem Tier näherten, bis der genervte Seehund schließlich wieder in die Fluten floh.
Die Leute meinten es sicher gut, sagt Christof Herrmann, Spezialist für Meeressäuger am Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern in Güstrow. Aber vermeintliche Rettungsaktionen, wie man sie bei gestrandeten Walen kenne, seien völlig fehl am Platz. In der Regel seien die Robben, die jetzt fast täglich zum Ausruhen die deutschen Ostseestrände aufsuchten, kerngesund. „Wir sagen den Strandgästen deshalb: Lasst die Tiere einfach in Ruhe! Haltet bitte Hunde von ihnen fern und informiert die Fachleute im Meeresmuseum Stralsund, im Nationalpark oder im Biosphärenreservat.“
Ohnehin sei Vorsicht geboten, wenn man sich den Tieren zu dicht nähere, etwa um ein Foto zu machen. Denn Robben könnten auch gefährlich sein, wenn sie sich bedroht fühlen. „Wir hatten schon einmal einen Fall, da hatte eine Kegelrobbe ein Paddel durchgebissen, als Fischer versuchten, das Tier aus einer Reuse zu befreien. Auch deshalb der Rat an alle Urlauber, Abstand zu halten“, sagt Herrmann.
Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht an irgendeinem Ostseestrand ein junger Seehund oder eine Kegelrobbe gesichtet wird. Nach Jahrzehnten des Jagdverbots im gesamten Ostseeraum haben sich die Bestände deutlich erholt. Forscher vermuten, dass die Tiere zum Großteil aus Dänemark stammen, darunter von einer Seehundbank bei Gedser.
„Nach den uns vorliegenden Meldungen müssten gegenwärtig mindestens drei bis vier junge Seehunde durch unsere Gewässer streifen“, sagt Herrmann. Den bislang höchsten Bekanntheitsgrad erlangte die Robbe Horst, die Ende Mai erstmals auf der Insel Koos und dann bis Juli in Göhren, Vilm, auf Wittow und in Markgrafenheide beobachtet wurde. Weitere Seehunde wurden in den vergangenen 14 Tagen an der Seebrücke Prerow, in der Wismar-Bucht sowie bei Diedrichshagen gesichtet. Das jetzt in Prora entdeckte Tier war bereits auch bei Ahlbeck, Bansin, Göhren und möglicherweise auch auf der Greifswalder Oie beobachtet worden.
Ralph Sommer, ddp